April 26, 2023

KI und ewiges Leben

Nie hat mich eine neue Technologie so schnell gelangweilt wie die generative KI in Form von ChatGPT & Friends. Wobei "gelangweilt" vielleicht das falsche Wort ist. "Erschöpft" trifft es besser.

KI und ewiges Leben

Nie hat mich eine neue Technologie so schnell gelangweilt wie die generative KI in Form von ChatGPT & Friends.

Wobei "gelangweilt" vielleicht das falsche Wort ist. "Erschöpft" trifft es besser. ChatGPT hat mich schon nach wenigen Wochen ermüdet, mein Interesse ausgeschöpft und mich desillusioniert zurückgelassen. Nicht, weil die KI uninteressant wäre, schnell zu durchschauendes Blendwerk, unterkomplex und enttäuschend. Ganz im Gegenteil: die zugrundeliegende Technologie der "Großen Sprachmodelle" ist ungeheuer beeindruckend, ganz sicher ein "Meilenstein", ein "Quantensprung", ein "Wumms" und so weiter und so fort. Sie hat das Potenzial, zumindest in meinem Bereich, alles zu verändern. Mein Bereich meint: Texte texten, Konzepte konzipieren, Entwicklungen entwickeln. Durch einfache Imitation und Wahrscheinlichkeitsrechnung ist sie in der Lage, Berater zu sein, Shakespeare zu sein, ich zu sein. Der "Prompt" ist das "Zauberwort", das in wenigen Sekunden das schafft, wofür ich Stunden brauche und gemeinhin bezahlt werde: gute Texte, brauchbare Ideen und im Kontext kluge Gedanken.

Ich bin deswegen nicht beleidigt. Auch nicht desillusioniert, weil es so leicht ist, das zu tun, was mir in meinem Leben Reputation und den einen oder anderen Euro eingebracht hat. Ich habe immer offen gesagt, dass ich das, was ich kann, für gemeinhin überschätzt halte. Man mixt Erfahrung, Bildung und etwas Umgebungswissen, schüttelt es gedanklich durch und heraus kommt eine Art Gedanken-Smoothie, manchmal süß, manchmal nahrhaft, manchmal beides, in Nuancen sogar überraschend wegen des speziellen Mischungsverhältnisses in diesem Moment. Genau das tut ChatGPT. Es hat sich unsere Erfahrungen angelesen, das Wissen der Welt angezapft und unsere Fragen geben ihm den nötigen Kontext. Je genauer die Fragen, das Briefing, also der Kontext, desto besser das Ergebnis, desto nahrhafter das Ergebnis. Same here.

Ich bin also wirklich nicht beleidigt deswegen. Warum sollten Menschen nicht etwas schaffen können, das so gut ist, wie sie selber. Wir verstehen uns, sind uns unseres Selbst bewusst, also können wir es nachbauen. War nur eine Frage der Zeit.

Aber ich frage mich: Was jetzt? Was bleibt - in meinem Bereich, siehe oben - noch zu tun, was nicht schon potenziell getan ist? Jedes "Piece" ist nur eine Frage entfernt, jede Kampagne, Kurzgeschichte, jeder Slogan, Essay, sie alle warten nur auf die Magie des richtigen Zauberspruchs, um zu entstehen. Was sich sagen lässt, was sprachlichen Ausdruck braucht, auch Code, Projektpläne, Dialog, ist eigentlich schon gesagt, alle Antworten sind schon gegeben. Ende der Geschichte.

Woher also soll ich in Zukunft meine Motivation nehmen? Woher die Energie, überhaupt etwas zu äußern? Frag doch die KI, geh mir aus der Sonne, hier gibt es nichts zu sagen.

Es ist wie mit dem ewigen Leben. Jeder ist doch schon einmal gefragt worden: "Wenn Du es, das ewige Leben, gewinnen könntest, würdest Du es annehmen?" Meine Antwort wäre bis vor wenigen Monaten immer gewesen. "Aber ja. Natürlich. Was gibt es da groß nachzudenken? Es gibt so viel zu tun, zu entdecken, zu schaffen. Ich weiß mich sicher zu beschäftigen. Nur her damit." Nach ChatGPT aber weiß ich, dass die Freude an etwas und seine Bedeutung vor allem aus der Begrenztheit entspringt, der Knappheit der Ressourcen. Wenn ich jedes Leben leben könnte, weil ich unendlich viel Zeit habe, warum sollte ich das tun? Ist ja irgendwie schon gelebt. Und wenn jeder Text mühelos geschrieben werden kann, weil der Aufwand zu seiner Erstellung minimal ist, warum sollte er geschrieben werden?  Ist doch irgendwie auch schon geschrieben. Es ist vollbracht, ChatGPT. In Deine Hände lege ich meinen Geist.

Wenn ich - bei meiner Arbeit damit, denn natürlich nutzen wir es, der Effizienz wegen, klar - in meinem Denken so weit gekommen bin, überfällt mich plötzlich eine große Mattigkeit und ich kann die übergroße Faszination meiner Branche, das "Noch-Getöse" ("noch" mehr, "noch" besser, "noch" schneller) nicht nachvollziehen. Die intrinsische Sinnlosigkeit frisst dann die letzten Reste extrinsischer Motivation für mein Tun, ich sitze vor dem ChatGPT Prompt-Formular und antworte der Aufforderung des "Send a message" mit "Why?" oder einem beherzten (contentpolicyviolatenden) "Ach, leck mich." Und gehe dann runter, um mich mit meiner Frau zu unterhalten, mit dem Smartphone vor die Tür, um einen Kunden anzurufen, oder in eins der Zimmer nebenan, um mit meinen Kindern zu spielen oder  zu streiten. Denn dies ist die Antwort für unser Leben, war sie eigentlich immer schon: Kontakt statt Content, content durch Kontakt, auf der Suche nach dem Large Love Model. (*)

(*) Ein solches fiktives "Large Love Model" (LLM) könnte darauf abzielen, die verschiedenen Aspekte der Liebe zu erforschen, wie zum Beispiel romantische Liebe, platonische Liebe, familiäre Liebe oder selbstlose Liebe. Das Modell könnte entwickelt werden, um Menschen dabei zu helfen, bessere Beziehungen aufzubauen, Konflikte zu lösen, oder Empathie und Mitgefühl für andere Menschen zu fördern.

Ein LLM könnte ein Verständnis für die verschiedenen Facetten der Liebe und menschlichen Beziehungen entwickeln. Es könnte auch darauf abzielen, die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Bezug auf Liebe und Beziehungen besser zu verstehen.

Bitte beachten Sie, dass dies eine hypothetische Beschreibung eines nicht existierenden Modells ist und als kreatives Gedankenspiel dient.